Erfolgt die Anzeige des Versicherungsfalls verspätet, so verweigern Versicherungen teilweise oder ganz die Leistung. Zu Unrecht - wie das OLG Frankfurt nun entschied:
Leistungsfrei ist die Versicherung nur dann, wenn die verspätete Anzeige schuldhaft erfolgte.
Pflegetageversicherung
Im Verfahren vor dem OLG Frankfurt a.M. (Urteil v. 11.11.2020, Az.: 7 U 36/19) wollte die Pflegetagegeldversicherung Versicherungsleistungen nicht auszahlen.
Die Versicherung verwies auf ihre Versicherungsbedingungen, wonach der Antrag rechtzeitig gestellt werden muss:
"Wird der Antrag nach Ablauf des Monats gestellt, in dem der Versicherungsfall eingetreten
ist, ist der Leistungsanspruch vom Beginn des Monats der Antragstellung gegeben. Bei einer
unverschuldet verspäteten Anzeige des Versicherungsfalls werden die Leistungen jedoch
rückwirkend erbracht.“
Landgericht weist Klage ab
Die Klage gegen die Versicherung hatte in der ersten Instanz keinen Erfolg:
Die Versicherungsnehmerin erlitt einen Schlaganfall. In dessen Folge unterblieb eine Meldung an die Pflegetageversicherung. Diese Meldung wurde erst ca. 2 Jahre später nachgeholt. Zu spät, wie das Landgericht meinte.
Berufung erfolgreich
Das Berufungsgericht war jedoch anderer Ansicht: Es sprach den Klägern die begehrten Versicherungsleistungen für die vergangenen zwei Jahre zu.
Es ist der Ansicht, dass die Anzeige des Versicherungsfalls unverschuldet unterblieb. Die Versicherungsnehmerin sei zur Anzeige aufgrund des Schlaganfalls nicht mehr in der Lage gewesen.
Die Versicherung machte ihrer Kundin einen weiteren Vorwurf: Sie hätte ihre Angehörigen über das Bestehen des Versicherungsvertrages informieren müssen.
Keine vorausschauende Vorsorgeobliegenheit
Eine solche Vorsorgeobliegenheit lehnte das Berufungsgericht ebenso ab.
Auch der Vorsorgebevollmächtigte sei nicht gehalten, sich umfassend Kenntnis über die Versicherungsverträge zu verschaffen.
Selbst die monatliche Abbuchung der Versicherungsbeiträge ist aus Sicht des Gerichts kein Grund, entsprechende Nachforschungen anzustellen.
Berufen auf Ausschlussfrist treuwidrig
Schließlich hält das Gericht noch fest, dass das Berufen auf die Ausschlussfrist treuwidrig sei. Es seien keine schützenswerten Interessen der Versicherung erkennbar.
Wertvolle Entscheidung für Versicherungsnehmer
Das Urteil hält eine positive Erkenntnis für Versicherungsnehmer bereit.
Die hier aufgeworfenen Fragen sind nicht nur für die Pflegetageversicherung relevant, sondern spielen auch bei anderen Versicherungen eine wichtige Rolle.
Ausschlussfristen sind in vielen Versicherungsverträgen vorgesehen. Da Versicherungsfälle oftmals auch Schicksalsschläge sind (wie hier ein Schlaganfall), wird die rechtzeitige Meldung an die Versicherung oftmals vergessen. Teilweise entstehen auch Situationen, in denen Angehörige oder andere nahestehende Personen die Meldung übernehmen müssten.
Das Urteil verteilt das Risiko einer verspäteten Meldung zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer gerecht. Es bietet eine Reihe von Argumenten, um sich gegen Versicherungen zur Wehr zu setzen.
Unterstützung
Wer anwaltliche Unterstützung bei der Auseinandersetzung mit seiner Versicherung benötigt, kann sich gerne bei der Rechtsanwaltskanzlei Robert Nebel, M.A., melden.