Versicherungen zu vergleichen kann mühsam und aufwendig sein. Deshalb wird diese Aufgabe oft Versicherungsmaklern überlassen.
Diese können mit einer entsprechenden Software schnell und unkompliziert Vergleiche anstellen. Was passiert aber, wenn dieser Vergleich unvollständig ist?
Versicherungsvergleich unvollständig
Mit dieser Frage hatte sich das Landgericht Konstanz in einem Urteil v. 21.01.2021 (Me 4 O 90/19) beschäftigt.
Der klagende Kunde wandte sich im März 2018 an die Beklagte, eine Versicherungs- und Finanzagentur, um eine Vollkaskoversicherung für seinen neuen Wohnwagen abzuschließen. Die angebotenen Vollkaskoversicherungen waren dem Kunden zu teuer. Deshalb entschied er sich für eine von der Beklagten vorgeschlagene Teilkaskoversicherung.
Unfall mit Folgen
Bei einem Verkehrsunfall Anfang Juli 2018 wurde der Wohnwagen beschädigt. Die abgeschlossene Teilkaskoversicherung lehnte eine Regulierung ab. Der Kunde blieb auf dem Schaden sitzen. Eine Vollkaskoversicherung hätte den Schaden hingegen reguliert.
Nach dem Unfall kündigte der Kunde die Teilkaskoversicherung und schloss eine Vollkaskoversicherung ab, auf die er im Rahmen der Unfallregulierung gestoßen war. Ihm fiel nun auf, dass günstiger Vollkaskoschutz sehr wohl erhältlich war.
Klage beim Landgericht eingereicht
Der Kunde nahm daher seine Agentur auf Schadensersatz in Anspruch.
Er behauptet: Hätte ich von der günstigen Vollkaskoversicherung gewusst, hätte ich diese abgeschlossen und wäre nicht auf eine Teilkaskoversicherung ausgewichen. Dann wäre auch der Unfallschaden ersetzt worden. Er warf seiner Agentur vor, keine ausreichende Marktanalyse durchgeführt zu haben.
Klage erfolgreich
Das Landgericht hat seiner Klage auf Ersatz des Unfallschadens stattgegeben.
Das Gericht beschäftigte sich hierbei mit der Auslegung des § 60 Abs.1 S.1 Versicherungsvertragsgesetz (kurz: VVG).
Umfassender Vergleich geschuldet
§ 60 VVG schreibt vor, wie die Beratung durch einen Versicherungsmakler zu erfolgen hat. Insbesondere ist dort geregelt, wie ein Vergleich von Versicherungen vorzunehmen ist.
In § 60 Abs.1 S.1 VVG heißt es wie folgt:
„Der Versicherungsmakler ist verpflichtet, seinem Rat eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern zu Grunde zu legen, so dass er nach fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahin abgeben kann, welcher Versicherungsvertrag geeignet ist, die Bedürfnisse des Versicherungsnehmers zu erfüllen.“
Unter dem „Gesamtmarkt“ versteht das Gericht auch sog. Direktversicherer. Unter Direktversicherern werden solche Versicherer verstanden, die nicht auf ein Makler- oder Vertriebsnetz zurückgreifen, sondern auf den Direktvertrieb setzen (d.h. Abschluss mit dem Kunden über das Internet, Telefon etc.).
Direktversicherer sind zu berücksichtigen
Die verklagte Agentur hatte Direktversicherer nicht berücksichtigt und dies mit ihrer Software begründet. Hintergrund dürfte allerdings sein, dass Direktversicherer keine Provisionen für die Vermittlung ausloben.
Auf diesen Umstand wurde in den AGB der Agentur wie folgt hingewiesen:
„[…] Er (Anm.: der Makler) berücksichtigt nur diejenigen Versicherer, die bereit sind, mit ihm zusammenzuarbeiten und ihm eine übliche Courtage für seine Tätigkeiten bezahlen. Direktversicherer oder andere nicht frei auf dem Versicherungsmarkt zugängliche Deckungskonzepte werden von dem Makler/seinem Vermittler nicht berücksichtigt. […]“
Das Gericht sah den Hinweis in den AGB nicht als ausreichend an. Auf eine eingeschränkte Marktanalyse ist „im Einzelfall vor Abgabe der Vertragserklärung“ (siehe § 60 Abs.1 S.2 VVG) hinzuweisen.
Ein Hinweis, der in den AGB versteckt ist, reicht also keinesfalls aus. Die verwendete Software ist aus Sicht des Gerichts ebenfalls kein Entschuldigungsgrund.
Folgen für die Praxis
Das Urteil dürfte Auswirkungen auf die Maklerbranche haben. Da die Marktanteile der Direktversicherer steigen, dürfte sich das hier aufgeworfene Problem verschärfen:
Wie sollen Makler in Zukunft mit Direktversicherern umgehen? Direktversicherer außen vorzulassen, zieht haftungsrechtliche Risiken nach sich – wie der vorliegende Fall zeigt.
Eine Berücksichtigung der Direktversicherer zieht allerdings die Frage nach sich, wie zukünftig Provisionen verdient werden können. Das Urteil kann Anlass sein, über eine vermehrte honorarbasierte Beratung nachzudenken.
Für die Verbraucher ist das Urteil vorteilhaft: Sie können davon ausgehen, dass der Makler auch Direktversicherer berücksichtigen muss.