Die Höhe des Krankentagegelds orientiert sich in der Regel Nettoeinkommen des Versicherungsnehmers.
Was passiert, wenn das Nettoeinkommen sinkt?
Hierfür sehen die Musterbedingungen 2009 für die Krankentagegeldversicherung (abgekürzt: MB/KT 2009) in § 4 folgende Regelung vor:
„§ 4 MB/KT lautet auszugsweise:
"Umfang der Leistungspflicht
...
(2)Das Krankentagegeld darf zusammen mit sonstigen Krankentage- und Krankengeldern das auf den Kalendertag umgerechnete, aus der beruflichen Tätigkeit herrührende Nettoeinkommen nicht übersteigen. Maßgebend für die Berechnung des Nettoeinkommens ist der Durchschnittsverdienst der letzten 12 Monate vor Antragstellung bzw. vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, sofern der Tarif keinen anderen Zeitraum vorsieht.
(3)Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, dem Versicherer unverzüglich eine nicht nur vorübergehende Minderung des aus der Berufstätigkeit herrührenden Nettoeinkommens mitzuteilen.
(4)Erlangt der Versicherer davon Kenntnis, dass das Nettoeinkommen der versicherten Person unter die Höhe des dem Vertrag zugrunde gelegten Einkommens gesunken ist, so kann er ohne Unterschied, ob der Versicherungsfall bereits eingetreten ist oder nicht, das Krankentagegeld und den Beitrag mit Wirkung vom Beginn des zweiten Monats nach Kenntnis entsprechend dem geminderten Nettoeinkommen herabsetzen. Bis zum Zeitpunkt der Herabsetzung wird die Leistungspflicht im bisherigen Umfang für eine bereits eingetretene Arbeitsunfähigkeit nicht berührt."
Herabsetzung durch den Versicherer?
§ 4 Abs. 4 der MB/KT sieht vor, dass der Versicherer das Krankentagegeld reduzieren kann, wenn das Nettoeinkommen der versicherten Person niedriger ist als ursprünglich angenommen.
Aus welchem Grund das Nettoeinkommen gesunken ist, ob durch Jobwechsel, Kinderbetreuung etc., spielt dabei keine Rolle.
Die Besonderheit bei dieser Regelung besteht darin, dass der Versicherer bis dahin die Prämien für die versprochene Versicherungsleistung in unverminderter Höhe erhält. Im Ernstfall, d.h. im Versicherungsfall, kann er jedoch eine Reduzierung der Versicherungsleistung vornehmen. Es ist sogar vorstellbar, dass das Nettoeinkommen auf Null sinkt. Dementsprechend müsste auch das Krankentagegeld auf Null reduziert werden.
Damit hätte der Versicherungsnehmer in der Vergangenheit Prämien für ein Risiko bezahlt, dass letzten Endes gar nicht vollständig versichert ist. Die Höhe der Prämien für die Krankentagegeldversicherung orientiert sich nämlich an der Höhe der Versicherungsleistung.
Je höher das versprochene Krankentagegeld vereinbart wird, desto höher auch die entsprechende monatliche Prämie.
Gerichte sind kritisch
Das OLG Karlsruhe (Urteil vom 23.12.2014, Az. 9a U 15/14) hat § 4 Abs. 4 MB/KT als unwirksam eingestuft und sich die obige Argumentation zu Eigen gemacht.
Dem folgt der BGH, der sich im Rahmen der Revision mit dem Urteil zu beschäftigen hatte, nicht in allen Punkten, vgl. BGH Urteil vom 06.07.2016, Az. IV ZR 44/15.
Jedoch kommt auch der BGH letztlich zu dem Ergebnis, dass die Klausel unwirksam ist, weil sie intransparent sei.
Intransparent sei die Klausel laut BGH deswegen, weil der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht erkennen könne,
a) welcher Bemessungszeitpunkt für das verminderte Einkommen relevant ist und
b) wie das maßgebliche Nettoeinkommen berechnet wird.
Vermindertes Einkommen: Zeitpunkt unklar
Der Regelung kann nicht entnommen werden, ob eine kurzfristige Minderung des Einkommens, beispielsweise bei einem Jobwechsel, bereits ausreicht, um das Krankentagegeld herabzusetzen. Es ist also nicht erkennbar, welcher Zeitpunkt oder Zeitraum bei der Herabsetzung relevant ist.
Berechnung des Nettoeinkommens unklar
Der BGH stört sich auch an dem Begriff „Nettoeinkommen“. Dessen Bedeutung ist nach Ansicht des BGH nicht eindeutig festgelegt.
Insbesondere kann das steuerrechtliche Nettoeinkommen nicht ohne weiteres auf die Auslegung von Versicherungsbedingungen übertragen werden. Es ist z.B. nicht klar, wie mit laufenden Betriebskosten umzugehen ist, die bei Einbruch der Einnahmeseite bei Selbstständigen trotzdem weiter bestehen. Diese könnten auch als verdeckte Nettoeinkünfte gewertet werden.
Klausel im Ergebnis unwirksam
Aus den beiden vorgenannten Gründen hält der BGH die Regelung in § 4 Abs. 4 MB/KT für unwirksam. Eine ergänzende Vertragsauslegung hat der BGH ebenfalls abgelehnt. Somit ist die Klausel ersatzlos entfallen. Der Versicherer hat kein Anpassungsrecht, auch wenn das Nettoeinkommen des Versicherungsnehmers sinkt.
Keine Reduzierung akzeptieren
Versicherungsnehmer sollten daher eine Reduzierung des Krankentagegelds auf keinen Fall akzeptieren. Gerne helfe ich Ihnen, Ihre Ansprüche gegenüber der Versicherung durchzusetzen.