In Deutschland werden zu viele Operationen durchgeführt. Dieser Zustand ist seit langem bekannt, trotzdem ist nicht erkennbar, dass die Akteure des Gesundheitswesens hieran etwas ändern wollen.
Hauptproblem: Die Datenlage
Hauptproblem hierbei ist die nicht gesicherte Datenlage.
Nur bei ca. 20 % der durchgeführten Operationen besteht eine gesicherte Datenlage. Das heißt: In diesen Fällen existieren klinische randomisierte Studien, die den Gesundheitszustand vor und nach einem bestimmten Eingriff langfristig beobachten und vergleichen. Diese Studien sind zugegebenermaßen aufwändig und mit entsprechendem finanziellem Aufwand verbunden. Experten gehen jedoch davon aus, dass das Geld sehr gut investiert ist:
Derzeit haben wir nämlich die Situation, dass bei 80 % der durchgeführten Operationen entweder keine oder nur eine sehr schlechte Datenlage vorhanden ist.
Die Mehrzahl der durchgeführten Operationen erfolgt daher im „Blindflug“. Der operierte Patient geht ein erhebliches Risiko ein, gleichzeitig belasten die Vielzahl von unnötigen Operationen das Gesundheitssystem und damit die Versicherten finanziell.
Falsche Anreize
Nur die Ärzte bzw. die Kliniken profitieren finanziell von diesen Operationen. Leider ist bekannt geworden, dass in vielen deutschen Kliniken so genannte Zielvereinbarungen mit den Chefärzten vereinbart wurden. Darin wird dem Chefarzt ein Bonus gewährt, wenn er innerhalb eines Jahres eine bestimmte Anzahl von Operationen durchführen lässt.
Diese Fallzahlen beziehen sich insbesondere auf orthopädische Operationen, weil aufgrund der ärztlichen Gebührenordnung hier am meisten Geld zu holen ist. So wird dem Chefarzt beispielsweise ein Bonus in Höhe von 50.000 EUR zugesichert, wenn er 80 Operationen pro Jahr durchführen lässt.
Bei diesen erheblichen finanziellen Anreizen ist es klar, dass Operationen nicht mehr am Patientenwohl orientiert werden.
So erklärt sich, warum viele Operationen ohne erkennbaren Nutzen durchgeführten werden. Mitunter sind die Operationszahlen bezogen auf die Bevölkerungsgröße in bestimmten Bereichen fünfmal höher als in Ländern mit vergleichbarem medizinischem Standard (hier Frankreich und Schweden).
Empfehlung
Das Risiko, Opfer einer unnötigen Operation zu werden, ist daher aufgrund der Rahmenbedingungen im deutschen Gesundheitssystem vergleichsweise hoch.
Patienten sollten daher immer den Rat mehrerer Ärzte einholen und sich selbst über den vorzunehmenden Eingriff informieren. Zugegebenermaßen ist es nicht ganz einfach, sich ein verlässliches Bild über die Vor- und Nachteile eines Eingriffs zu verschaffen. Jeder Patient muss in die Lage versetzt werden, die Folgen und Risiken eines Eingriffs richtig abschätzen zu können. Klinische Studien sollten daher zwingend vorgeschrieben werden und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.